Autorin und Kollegin Mella Waldstein war viele Jahre selbst Strandbad-Wirtin und hat in dieser Zeit ein Buch über die Geschichte des Strandbades von Drosendorf verfasst. Für uns blickt sie zurück in die Historie des Schwimmens und des Freizeit-Vergnügens an der Thaya.
Über die Badekultur, den Schwumm und die Sommergäste
„Hatten Sie einen guten Schwumm?“ So erkundigten sich Sommerfrischler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wenn sie einander entlang den Promenaden, am Hauptplatz oder im Wald beim Himbeerpflücken trafen. Was damit gemeint war?
Dieses antiquierte Wort (das in der Schweiz noch gebräuchlich ist) ist weit mehr als die Ausübung des Schwimmens, also rein ins Wasser, Tempi, Tempi, raus aus dem Wasser. Der Schwumm steht für ein Lebensgefühl: genießen, erfrischen, erholen, bewegen und kommunikativ sein.
Der passende Platz dafür ist das Strandbad Drosendorf. Seit 95 Jahren steht das Badehaus mit seinem sonnendurchglühten Holz, den Art-déco-Elementen und seinem Uhrtürmchen. Als im Jahr 1929 das städtische Strandbad mit einem großen Fest eröffnet worden war, hatte sich die Badekultur radikal veränderte.
Die Vorgängerbauten auf diesem Platz waren einfach zusammengezimmerte Holzhütten, die am Ufer standen. Leitern – getrennt nach Frauen und Männer – führten von den Umkleidekabinen direkt ins Wasser. In voluminöser Badekleidung kletterte man in die Thaya, plantschte, plauderte und kühlte sich ab. Schwimmen konnten die allerwenigsten. Wehrpflichtige Männer hatten den Wassersport in den Militärschwimmschulen erlernt, 1880 wurde der „Erste Wiener Amateur-Schwimmclub” gegründet und erst 1903 wurde Schwimmen Pflichtgegenstand im St. Pöltner Landeslehrerseminar. Schwimmen entwickelte sich ab den 1920er-Jahren zu einem Sport, der in der breiteren Bevölkerung ausgeübt wurde.
Mit der Moderne kam auch die Befreiung des Körpers. „Schwimm-, Sonn- und Luftbad“ steht programmatisch auch auf dem Wiener Kongressbad, das von Erich Leischner (1887–1970) entworfen wurde. (Architekt Leischner verbrachte seine Sommerfrische in Unterthürnau bei Drosendorf.) Die Bademode wurde praktikabel und die Geschlechtertrennung aufgehoben. Das neue Badhaus wurde nicht mehr am Flussufer errichtet. Es rückte davon ab und auf der großen Badewiese war Platz für den Sonnen-, Luft- und Bewegungshunger. Auch dafür steht das Drosendorfer Strandbad – für eine neue Körperkultur.
Und warum, so ist die berechtigte Frage, nennt sich das Strandbad Strandbad? Weit und breit ist kein Sand zu sehen. Der Strand ist der Freiraum zwischen Land und Meer. Er ein unendlich formbarer Ort der Sommerträume. Der Strand, der ferne Adriastrand, wurde nach dem Zerfall der k. u. k. Monarchie und dem Verlust des „Küstenlandes“ in das Binnenland Österreich, herbeigeholt: einerseits real, andererseits gedanklich. Mit der Südbahn kam der Adriasand in das 1928 eröffnete Alpenstrandbadbad Edlach bei Reichenau. Das konnten sich die wenigsten Gemeinden leisten. Doch das Wort „Strandbad“ schon. Es brachte das in die Ferne gerückte Meer wieder näher.
Nach dem zweiten Weltkrieg, mit den beginnenden Wirtschaftswunderjahren und der Motorisierungen fuhren die Österreicherinnen und Österreich persönlich zum Adriasand von Grado bis Jesolo. Die Strandbäder, die in Wirklichkeit grüne Wiesen sind, gerieten mit der Zeit aus der Mode.
Genug vom Strand geträumt, wir gehen endlich schwimmen! Flussschwimmen, so schrieb ich vor vielen Jahren in einem Text, ist Schwimmen für Fortgeschrittene. Jeden Tag ist das Wasser anders: einmal kalt, dann wiederum hat die Thaya einen sonnendurchwärmte obere Wasserschicht und ein frisches Unterbett. Da heißt es dann, den Bauch einziehen. Geübte Flussschwimmerinnen und -schwimmer wechseln beim Zurückschwimmen die „Bahn“, d.h. sie schwimmen nicht in der eigenen Spur zurück, in der die warme mit der kalten Schicht durchmischt ist.
An einem Tag tanzen Mücken ober der Wasserfläche, es schnappen Vögel und Fische nach ihnen. Am anderen Tag schaukeln Blätterteppiche auf dem Thayawasser und im August strömt der betörende Duft der Zyklamen des gegenüberliegenden Waldes über den Fluss.
Wenn das weiche, durch den eisenhältigen Schlamm braun gefärbte Wasser warm ist, dann drängen sich auf der Holzleiter die Badegäste. Gehen rein und raus. Es entsteht ein Stau. Hier lernen sich die Leut’ kennen.
Es gibt Hunderte Arten, ins Wasser zu steigen. Es gibt die Zögerlichen und die Helden, die Fatalisten und die Verspielten. Frauen nehmen eine Handvoll Wasser und lassen es
zwischen den Busen auf den Bauch rinnen, Burschen köpfeln, Kinder sprudeln im Wasser, um die Fische zu verscheuchen. Ein Teil der Menschheit macht beim Einsteigen die Umgebung so nass wie möglich, ein anderer Teil geht mit demonstrativer Gelassenheit ins Wasser. Manche seufzen vor Wohlbehagen, schreien vor Schreck auf, schnauben wie Pferde oder sind stumm wie die Fische. Männer ziehen den Bauch ein, Mädchen betreten einen Laufsteg.
Nun schwimmt man, angeregt in ein Gespräch vertieft, nebeneinanderher. Oder grüßt die Entgegenkommenden. So ist es beim Flussschwimmen üblich. In diesem Sinne: gut Schwumm!
Buchtipp:
Strandbad Drosendorf – Wo Sommerfrische lebt
Verlag Bibliothek der Provinz
ISBN: 978-3-99028-890-0
128 Seiten, € 28,00 €
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